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zu fuß zum rand: marseille und sein umland entdecken
DER GR 2013 - EIN WANDERWEG DURCH DIE METROPOLREGION MARSEILLE
Der GR®2013 ist ein 365 km langer Weg, der durch die zeitgenössische Landschaft der Provence in der Metropolregion der südfranzösischen Hafenstadt Marseille führt. Er ist als europäischer Fernwanderweg (''sentier de Grande Randonnée de Pays'', GRdP) klassifiziert, aber die an seiner Erarbeitung beteiligten Künstler modifizierten einige der altbewährten Prinzipien. Anders als die klassischen Fernwanderwege führt er nicht durch Berge und durch unberührte Natur, sondern durchquert die ganze Bandbreite der provenzalischen Landschaft: Küstenabschnitte und Industriegebiete, Brachen und Felder, Einkaufszentren und Wälder, karge Hochländer und städtisches Dickicht, Autobahnkreuze und Stadtzentren, Vororte und verlassene Eisenbahntrassen...
Eine Auswahl an übersetzten Abschnitten des Wanderführers finden sie hier.
Verlauf des Weges
In Form einer liegenden 8 verläuft der Weg um zwei unbebaute Flächen in der Peripherie der Hafenmetropole Marseille. Den Mittelpunkt bildet der TGV-Bahnhof von Aix-en-Provence, im Nordwesten umschließt er den Etang-de-Berre, eine Art Binnenausläufer des Mittelmeeres und im Osten die Massive Étoile und Garlaban. Ein dritter Ring formt innerhalb der östlichen Schleife eine kürzere, "städtischere" Route, die auch das Stadtzentrum von Marseille durchquert. Dieser Metropolenwanderweg führt durch 38 Kommunen, drei Einkaufszentren, römische Kastelle, Felder, Wohnsiedlungen, Industriebrachen, aber auch durch Natura 2000-Gebiete und die beiden Gebirgsketten. Für die gesamte Strecke benötigt man 15-20 Tage.
Konzeption
Die Grundidee für den GR 2013 war die Erneuerung der Beziehung zwischen Stadt und Natur. Sein Initiator Baptiste Lanaspeze konzipierte den Weg zusammen mit elf sogenannten "Spaziergangskünstlern" aus dem Cercle des Marcheurs und den Excursionnistes marseillais, dem lokalen Wanderverein. Seine Erfinder betrachten den Weg als ein Kunstwerk an sich, denn das Zeichnen eines Pfades kann mit dem Malen auf einer weißen Leinwand gleichgesetzt werden. Mit der Festlegung der Route legen die Künstler bestimmte Blickwinkel auf die Landschaft des Departments Bouches-du-Rhône frei. „Einen 365 km langen Weg zeichnen zu lassen, ist als ob man 1000 Gemälde geschaffen hat” sagt Baptiste Lanaspeze. Genauso wie ein Kunstwerk unsere Wahrnehmung der Welt verändert, wandelt sich durch diese neue Nutzung der Gegend unser Blick auf die Umgebung und das, was uns zunächst vertraut erscheint. Er vergleicht den GR 2013 auch mit einem „Freilichtmuseum in Form eines Wanderweges”, das die zeitgenössische Landschaft des Departments zu Fuß erfahrbar werden lässt.
Umsetzung des Projektes
Der GR 2013 ist ein Projekt der europäischen Kuturhauptstadtsregion 2013 Marseille-Provence und Resultat der Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Akteure. Es wurde zusammen mit dem Cercle des Marcheurs, dem Wanderausschuss des Conseil Général des Bouches-du-Rhône und dem französischen Wanderverband FFRandonnée innerhalb von drei Jahren verwirklicht.
Dimensionen
Das Kulturhauptstadtjahr hat die Verwirklichung des GR 2013 organisatorisch und finanziell erst ermöglicht, die Ausgangsideen existierten jedoch schon weit davor in Werken über Land Art, die Kunst des Flanierens und urbane Reisen. Zudem hat die Kultur des Stadtspazierganges in Marseille bereits eine längere Tradition (s. Cercle des Marcheurs).
Der GR 2013 ist nicht nur ein mit dem ganzen Körper erfahrbares Kunstwerk, sondern er hilft - mit ergänzenden Erklärungen des Wanderbuches - auch dabei, zu verstehen warum Menschen an bestimmten Orten leben und was sie warum geschaffen haben. Nicht zuletzt ist er eine Einladung, Strecken zu Fuß zu erkunden, die sonst nur mit dem Auto zurück gelegt werden: „Wenn Sie ihr Auto stehen lassen, um diesen Weg zu gehen, so werden sie dieses Gebiet nie mehr mit den gleichen Augen sehen. Dies eine Erfahrung, nach der es kein Zurück mehr gibt” (Baptiste Lanaspeze).
Ins Umland
Der GR 2013 ist ein Wanderweg, der nicht nur durch unberührte Natur , sondern auch und vor allem durch Vorstädte und Randgebiete führt. Sein Ziel ist der Weg. Und darüber hinaus, das Wandern neu zu definieren und einen neuen Blick auf die Landschaft zu werfen, die wir oft als banal, alltäglich und langweilig links liegen lassen. Die räumliche Nähe der vom Menschen geschaffenen Werke und der Natur bildet Perspektiven, die zwischen Urbanität und Wildnis einzigartige, oft verstörende, aber dennoch erstaunliche Kompositionen ergeben. Vom GR 2013 aus erkennen wir die Stadt als Lebensraum des Menschen - und somit als Teil der Natur - an. In diesem Sinne fordern die Erfinder des Weges dazu auf, sich als „Liebhaber unserer Erde” mit der heutigen Urbanität auseinander zu setzen und die sonst gemiedenen Gebiete unserer Städte zu erwandern.
Der GR 2013, ein Metropolen-Wanderweg
Ein Metropolen-Wanderweg richtet sich an die lokale Bevölkerung, aber auch an Touristen. Diese sollen dazu angeregt werden:
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Eine Gegend mit einem völlig neuen Blick zu entdecken,
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Einen Zusammenhang zwischen Orten herzustellen, die weit entfernt oder isoliert voneinander zu sein scheinen,
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das Zu-Fuß-Gehen als eine außergewöhnliche Art der Fortbewegung wieder zu erfahren.
Metropolen-Wanderwege lassen sich zwischen Ökologie und Stadtplanung, zeitgenössischer Kunst und Literatur einordnen, bemühen aber ebenso Bereiche des öffentlichen Lebens wie Tourismus, öffentlicher Nahverkehr, Kommunalpolitik und Biodiversität. Metropolen-Wanderwege verwandeln die Großstadt: sie verbinden die unterschiedlichen Bereiche miteinander und lassen sie in einem neuen Licht erscheinen. Aus der Peripherie heraus wird das Zentrum kritisch betrachtet. Auf diese Weise kann die Erkundung der Stadtränder dazu beitragen, die Stadt von Morgen zu gestalten.
Hier geht es zur Webseite der Metropolen-Wanderwege (auf Englisch und Französisch).

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